Archive 2021 KubaParis

tuesday-31-01-2017-von-jonas-brinker-im-icc-berlin-review-von-philipp-lange

Location

Internationales Congress Centrum ICC Berlin

Date

06.10 –16.10.2021

Curator

Thilo Fischer, Wolfgang Hoffmann, Martin Hossbach, Thomas Oberender, Julia Stoschek Foundation, Jeron Versteele

Photography

Eike Walkenhorst, Jonas Brinker

Text

Jonas Brinker Tuesday, 31.01.2017 Im Rahmen der Ausstellung "The Sun Machine Is Coming Down" Die Videoarbeit Tuesday, 31.01.2017 von Jonas Brinker ist Zeugnis einer nächtlichen Begegnung von Mensch und Tier. Eine Katze bewegt sich verführerisch über einen verlassenen Parkplatz und beansprucht die menschengemachte Asphaltlandschaft als ihr Territorium. In den Bann gezogen folgt die Kamera dem nachtaktiven Geschöpf haltlos, geleitet von den leuchtenden Augen, die den Weg durch die Dunkelheit weisen. Das Spiel aus Bewegungsabläufen und Blickaustausch erweckt ein Gefühl von momenthafter Intimität, die zwischen bedingungslosem Vertrauen und Furcht changiert. Eine gemeinsame Sprache zur reibungslosen Verständigung muss scheinbar noch gefunden werden. Doch in der Endlosschleife führt das Geschehen immer wieder zurück zum Anfang und unterbindet somit jeglichen Ausweg. In Jonas Brinkers Arbeiten stellen Beziehungen von Mensch und Tier ein wiederkehrendes Motiv dar. Der Künstler beobachtet feinfühlig, wie instinktives und domestiziertes Verhalten ineinander greifen und dabei innere Konflikte auslösen. So tritt die streunende Katze als eine zwischen entgegengesetzten Affekten zerrissene Protagonistin auf. Der menschliche Akteur scheint sich in ihr zu verlieren. Wer beherrscht hier wen? Das Internationale Congress Centrum (ICC) landete in den Siebziger Jahren im Berliner Westend wie ein riesiges Raumschiff, das seither den freien Stadtraum tilgt. In seiner stillgelegten Form von heute scheint es für jegliches Leben nur noch schwer erreichbar. Für kurze Zeit als spektakuläre Ausstellungsfläche wiederbelebt (The Sun Machine Is Coming Down), konnte auch Brinkers Videoarbeit darin vorgefunden werden. Die Katze hauste im gigantischen Ufo, ein wenig versteckt, fast beiläufig vorzufinden, dennoch nicht zu übersehen. Was wäre, wenn sie die High-Tech Architektur tatsächlich als ihr Revier einnehmen würde? Bewohnen nicht-menschliche Wesen diesen Ort bereits? In einer Welt des schwindenden Lebensraums gestaltet sich eine enge Kohabitation zwischen Mensch und Tier als zwangsläufige Konsequenz. Solange das Miteinander jedoch keine Selbstverständlichkeit darstellt, wiegen sich die Annäherungsversuche in Unsicherheit. Das Vermächtnis des gemeinsamen Ursprungs liegt zu weit zurück, als dass sich auf dieses zurückberufen lässt. So scheinen neue Kommunikationsformen und ein beidseitiges Assimilieren erforderlich – nicht nur aus der Not heraus, sondern auch aufgrund wechselseitiger Faszination, wie das Aufeinandertreffen von aufblitzendem Katzenauge und fokussierter Kamera eines Nachts zu verstehen geben.

Philipp Lange