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Anna-Sophie Berger – The Eternal Optimist

Location

Prince of Wales

Text

“I am passive parasite, sucking out the heat during day, sucking out the cool evening breeze, I steel your soft bell rings to nourish my line.recklessly invading you, in calling this social, in calling this an exchange I am lying since I know I am but a blood-feeding insect flying to the fake light, dying on the wood tiles” Anna-Sophie Berger bespielt in ihrer Ausstellung „The Eternal Optimist“ die beiden Stockwerke des kleinen Ausstellungshauses Prince of Wales mit einer fokussierten und kondensierten Ausstellung, in der sie klug und ambivalent die individuelle Gleichzeitigkeit von Gegensätzen verhandelt. Was zunächst wie der beliebige Strom einer alltäglichen Video-Diary, wie man sie aus den Social-Media-Feeds kennt, anmuten mag, eröffnet bei näherer Betrachtung eine ganz eigene Ästhetik und Feinfühligkeit. Im ersten Stock des Prince of Wales präsentiert Anna-Sophie Berger mit „innocent bodies (edit 1)“ eine filmische Arbeit, die aus einer Ansammlung kurzer Clips besteht, die sie über eine Zeitspanne von mehr als zwei Jahren mit ihrer Smartphone-Kamera aufgenommen hat. Die einzelnen Fragmente, scheinbar nebenbei und im Hochformat aufgenommen, sind dabei lediglich chronologisch montiert, wie in einem Dateiordner nach Datum sortiert. Mit dem Blick eines wohlwollenden Betrachters collagiert Anna-Sophie Berger kleine Beobachtungen, visuelle Reize und assoziative Erzählungen. Städte, Bahnfahrten, Ziegen, Arbeiter – Aufnahmen aus dem Alltag einer Reisenden. Trotz, oder gerade wegen seiner rohen Montage entwickelt das Video eine eigene Dynamik. Sie selbst als Körper kommt im Video nicht vor, auch intimes oder persönliches bleibt außerhalb des Fokus. Durch den Screen des Smartphones von der Welt getrennt, nimmt Anna-Sophie Berger die Position eines analytischen Betrachters ein, der die Welt mit einem interessierten und neugierigen Blick einzufangen versucht, jedoch immer nur teilnehmender Betrachter bleiben kann. „innocent bodies (edit 1)“, der Titel deutet den offenen Charakter der Arbeit bereits an, ist der Versuch einer Subjektiven Ordnung, mittels einer persönlichen Perspektive Strukturen zu erkennen, Verbindungen zu erstellen und zu verstehen. In Kontrast zu den scharfen und glatten digitalen Bildern des Videos stehen die zarten und fragilen Textilskulpturen, die Anna-Sophie Berger im Erdgeschoss präsentiert. Berger, die in Wien transmediale Kunst und Mode studiert hat, bedient sich der skulpturalen Qualität des Materials und schafft so Arbeiten, die zwischen Skulptur, Prozess und Malerei zu schweben scheinen. Aus Polyester-Spitze hat sie Malerkittel geschneidert, die nun in lehmige Erde getränkt, noch feucht auf dem Boden liegen. An den Wänden und neben den schmutzigen Stoffen sind Spuren zu sehen, malerische Referenzen, das Produkt eines performativen Vorgangs. Langsam trocknen diese feuchten, verletzlichen Gebilde, ändern ihre Farbe und Festigkeit. Eine ephemere Qualität, die den Bezug zum Prozess offenbart: Zu sehen sind die noch in Veränderung befindlichen Ergebnisse eines expressiven Prozesses, der eine gewisse Brutalität in sich trägt. Der Schmutz steht in direktem Kontrast zum artifiziellen Material, die Sensualität und Physikalität in Kontrast zum körperlosen Digitalen des Videos. Während Berger in den Videos noch passiver und interessierter Betrachter ist, steht bei den Skulpturen eine aktive, offene und direkte Auseinandersetzung in Zentrum. Die Kittel als Arbeitskleidung der Künstlerin werden zum haptischen Material und bleiben dennoch leere Hüllen, der arbeitende Körper, den sie umschließen sollen ist entschwunden. Dreck und Oberfläche, Arbeit und Müßiggang, Kunst und Mode, digitale Bilder und die Textur von Stoffen. Anna-Sophie Berger arbeitet nicht nur interdisziplinär und ohne eine Begrenzung der Ausdrucksmittel, sie kombiniert und löst Dualismen und Gegensätze, sie versucht Komplexitäten gerecht zu werden und Heterogenität anzunehmen. Zusätzlich zu den Räumen nutzt Anna-Sophie Berger auch die Pressemitteilung, die über die Mailinglisten und das Soziale-Web eine eigene Öffentlichkeit entwickelt, als bespielbare Fläche. Ihr poetisches Fragment liest sich dabei als artist’s statement und Ausgangspunkt für einen künstlerischen Versuch: „what the aim is was my question when I started here and its universality now disgusts me. it disgusts me how the same existentialism is the same at all times for death and creation. it disgusts me that I am ambivalent but cannot embrace complexity instead of dualism. the aim is the Damocles sword, the knife I just bought is but a cheap symbol for the threat of the aim.“

Quirin Brunnmeier