Archive 2020 KubaParis

Ghost Touch

Location

Mib, Bad Ems

Date

11.09 –29.09.2020

Curator

Olga Vostretsova

Photography

Tobias Vollmer

Text

Unter dem Titel »Ghost Touch« zeigt Lukas Schmenger großformatige, figurative Bilder und Reliefs, die im Ausstellungsraum »Made in Balmoral« zu einer ortsspezifischen Präsentation inszeniert werden. Schmengers menschenähnliche Kreaturen wirken geisterhaft, vielleicht außerirdisch, sie umweht ein kalter Hauch kosmischen Staubs. Aus welcher Zukunft blicken sie zu uns? In welcher Dimension befinden sie sich? Zwischen den Figuren seiner Bilder scheint eine eigenartige erotische Spannung zu bestehen, die Fragen nach dem oft konstatierten Ende der Liebe im Zeitalter von Dating-Apps aufwirft, wo Swipen Beziehungen austauschbar erscheinen lässt und Liebe in der neoliberalen Gesellschaft "zu einer Genussformel positiviert" wird, wie es der Philosoph Byung-Chul Han im Essay Agonie des Eros (2012) formuliert. Der Gegensatz von Nähe und Distanz wird durch Technologien aufgehoben, wir erweitern uns und tragen 'smarte' Kommunikationsprothesen, die Verbindungen zu Geräten in Händen von anderen herstellen und dabei nicht immer planmäßig funktionieren müssen. 'Ghost Touch' nennt man den technischen Defekt, wenn Touchscreen-Smartphones Aktionen und Interaktionen durchführen, ohne dass dies von der menschlichen Hand durch Berührung gesteuert wurde. Nach diesem Phänomen ist eine Porträtserie des Künstlers mit psychedelischen Alien-artigen Köpfen benannt, die titelgebend für die Ausstellung in Bad Ems ist. In der Radierungsserie Twist treffen sich Figuren durch mehrfaches Übereinanderdrucken auf einem Blatt: die Linien ihrer Körperteile überlappen sich, ausgestreckte Zungen scheinen sich gleich zu treffen, dennoch ist klar, dass es hier keine physische Begegnung, geschweige denn Berührung geben kann. Sie schweben ephemer in unterschiedlichen Sphären. Einzelne Profile aus dieser Serie wurden in eine greifbarere Materialität in Form von Aluminiumgüssen überführt. Reliefs, die üblicherweise ähnlich wie Tafelbilder auf Wände angewiesen sind, werden von Lukas Schmenger quasi prothetisch erweitert: als 'enhancement' bekommen sie eigene Ständer und Träger, auf denen sie autonom stehen können - im Atelier des Künstlers, in Bad Ems oder auf Planet Neun, dem schwarzen Himmelskörper. Text: Olga Vostretsova

Olga Vostretsova