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Simultanhalle

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Review: SimultanProjekte 2020. Ein Rückblick

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Simultanhalle – Raum für zeitgenössische Kunst ist ein Projektraum in Köln, der seit 37 Jahren ein stetiges Ausstellungsprogramm präsentiert. Das Gebäude der Simultanhalle war als architektonisches Modell für den Neubau des Museum Ludwigs geplant. Im Jahr 1979 errichtete das Architektenduo Busmann+Haberer einen kubischen Modellbau am Stadtrand von Köln. Der ursprüngliche Zweck des Testbaus war die Erprobung der Lichtführung, Wand- und Bodenbeläge sowie die Funtkrionalität der geplanten Sheddachkonstruktion, die später zu einem markanten Merkmal des endgültigen Museumsbaus wurde. Ab 1983 übernahmen einzelne Kurator*innen, ab 1989 ein Kuratorium bestehend aus einer wechselnden Zusammenstellung an Akteur*innen der Kölner Kunstszene die Organisation von Ausstellungen mit lokalen und internationalen Künstler*innen in der Halle. Seitdem ist der Projektraum ein ständiger Begleiter bei der Förderung von Kunstpraxis in der Region und dient ebenso als Plattform für internationalen künstlerischen Austausch. Das organisierende Team besteht aus einer freien Anzahl an Künstler*innen und Theoretiker*innen, dessen Struktur auf Selbstorganisation und der gleichberechtigten Teilnahme aller involvierten Personen beruht. Das Ausstellungsprogramm ist daher nicht von einer singulären kuratorischen Linie geleitet, sondern repräsentiert eine diverse Konstellation an künstlerischen Interessen. Mit den SimultanProjekten hat das Kuratorium der Simultanhalle ein Ausstellungsformat ins Leben gerufen, dass sich mit den ortspezifischen Begebenheiten des Außenraums der Halle auseinandersetzt. Dabei wird das Gelände der alten Volksschule in Volkhoven zum Ausgangspunkt einer sich rhizomatisch in den umgebenden, öffentlichen Raum ausdehnenden Ausstellung genutzt. Seit ihrer Wandlung vom eins-zu-eins-Architekturmodell zum Ausstellungsraum hat die Simultanhalle stets die ausstellenden Künstler*innen dazu eingeladen, sich in besonderer Weise mit den Bedingungen des Ausstellens, also mit dem Raum oder mit den Institutionen des Ausstellens, zu beschäftigen. Dabei provoziert insbesondere die architektonische Simultanität bzw. die Baugleichheit der Simultanhalle als unabhängigem Projektraum im Kölner Norden mit dem internationalen Museum Ludwig in der Innenstadt eine solche raumspezifische Auseinandersetzung. Die Idee der Architekturen mag zwar die gleiche sein, die Arbeitsbedingungen und der lokale Kontext der Ausstellungsräume unterscheiden sich jedoch wesentlich. Mit der Schließung des Innenraums der Halle aufgrund von Einsturzgefahr im Jahr 2018, werden mit den SimultanProjekten verschiedene künstlerische Strategien im Umgang mit dem Außenraum gezeigt. Über den Wunsch des persönlichen Experimentierens hinaus, ist der gemeinsame Nenner aller Beteiligten die Bereitschaft, den alten Schulhof, seine Materialität und seine Geschichte zu erkunden oder womöglich sogar räumlich aus ihm auszubrechen. Der Schulhof diente bereits seit Beginn der künstlerischen Aktivitäten auf dem Gelände in den 1980er Jahren als Arbeits- und Experimentierraum für die ansässigen Künstler*innen. So sind beispielsweise die Skulpturen von Wolfgang Göddertz oder die Material-Sammlungen von Eva Janošková Spuren der vergangenen Jahre. In diesem Sinne haben sich auch die Tätigkeiten der SimultanProjekte 2020 in das Gelände eingeschrieben. Johanna von Monkiewitsch isoliert für die SimultanProjekte in Rochen (2020) fotografisch einen Ausschnitt der Fassade des ehemaligen Schulhauses und tapeziert diesen vergrößerten Ausschnitt mittels C-Print auf Affichenpapier, um 90° rotiert, einige Meter von der Mauer entfernt auf dem Asphalt an. Diese Dislokation zerstört beinahe das Band zwischen Index und Referenten und eröffnet so einen weiten Assoziationsraum zwischen den Rissen, Sprüngen und Verfärbungen auf ihrer Fotografie – oder den fotografierten Rissen, Sprüngen und Verfärbungen? – der von Affichismus bis Kartographie reicht. Wanda Koller zerreibt für Walking On Bones (2020) Alabaster und Gips auf dem Boden wodurch eine Fläche entsteht, die den Schatten der Simultanhalle mit dem markanten Scheddach als Ausgangspunkt nimmt. „Wie das Erproben der Lichtführung einst den Bau begründete, gibt diese rastende Generalprobe der Architektur den Impuls die Wiederholung und Nachahmung ein weiteres Mal durchzuführen.“ (Anika Albrecht) Die Intervention ist dabei der Zeit genauso anheimgegeben (Mieke Bal), wie das Bauwerk selbst. Klaus Kleine schafft mit seinem Beitrag small white spot / kleiner weißer Fleck (2020) eine architektonische Skulptur, die von Innen nach Außen gemacht und gedacht ist. Von außen mit weißen Plastikplanen bedeckt, offenbart sich erst beim Umschreiten ein Eingang. Betritt man das Gebilde, wird man von sanften braunen Lehmwänden umhüllt. Die einzige Lichtquelle im Inneren sind die lediglich von einer weißen Plane bedeckte Decke und die durch Zufall entstandenen Löcher und Ritzen, durch die gedämmt das Sonnenlicht einfällt. Klaus Kleines temporäre Installation bringt den Besucher an einen Ort, den er selbst nicht bewusst gewählt hat, sodass sie mehr als Erfahrungsraum denn als klassische Architektur erlebt werden kann. Luisa Fernanda Alfonso kollaborierte mit Estefanía Álvarez Ramírez für eine tänzerische Intervention im idyllischen Garten neben der Simultanhalle. Sie nutzten den kleinen Teich und die Lichtung dort als Bühne und Kulisse für ihre aus Bewegungsstudien abgeleitete Performance der Opulenz. Mira Mann führte auf einem nahe gelegen Reiterhof mit jungen Reiter*innen eine Workshop durch. Bei diesem Workshop entstand eine Fotografie, die als Plakataufsteller auf der Grünfläche vor der Simultanhalle als Laura (2020) zur Spur dieses Ereignisses wird. Ihre Performance Wild and Wanton wurde schließlich gemeinsam mit Brigitte Huezo, Piet Hume und Jamila Doujali auf einer Koppel des Reiterhofs aufgeführt. Mira Manns Praxis der Kollaboration erweiterte so den Kreis der direkten und indirekten Akteur*innen ihres Beitrages ebenso wie den Ort der SimultanProjekte, auf den Reiterhof zum einen und auf die öffentliche Grünfläche zum anderen. Bewernitz/Goldowski nutzten für ihre Klanginstallation STEAM FIELD / Apeiron Song 14 Gaskocher und Untersetzer aus Edelstahl sowie Henkelmann-ähnliche Edelstahltöpfe an denen speziell gestimmte Flöten montiert waren. Die Gaskocher wurden in einem Rechteck arrangiert, das von den Besucher*innen durchquert werden konnte. Durch das von den Gaskochern erhitzte Wasser wurden die Flöten „gespielt“, wobei die unterschiedliche Füllmenge der Behälter dafür sorgte, dass nach und nach mehr und mehr Töne hörbar wurden. So wurden elementare mediale Bedingung von Klang in der Musik durch Bewegung von Luft im Raum erfahrbar gemacht. „Im Fokus der Auseinandersetzung von SPINE, einem hybriden Künstler*innen-Kollektiv mit Soya Arakawa, Claudia Barth, Sophia Seiss, Franca Scholz, steht die Reflektion von Beziehungs- und Machtverhältnissen des Menschen zur Umwelt, Natur und Technologie. Dabei bildet die Performancegruppe hybride Perspektiven um einen Zustand an der Schwelle zur Transformation. Der Titel der Performance Passacaglia della Vita verweist auf ein Musikstück des Komponisten Stefano Landi (1587-1639), in dem sich der Gesang über den unausweichlichen Tod mit dem barocken Schreittanz der Passacaglia verbindet“ (Lisa Oord). Gleichsam als Bestandteil des dystopischen Settings der Performance, werden die fest installierten Beiträge der SimultanProjekte zu mahnenden Überbleibseln, oder Spuren der in der Diegese verlorene Kultur. Das Künstlerduo Koch & James gestaltete als Beitrag für die Ausstellung ein imaginiertes Mock-up eines Bauprojektes Leben. Arbeiten. Kunst. (2020), das sich an der artifiziellen grafischen Ästhetik von 3D Simulationen orientiert. Scheinbar kündigt es ein konkretes Bauprojekt an. „Die geweckte Erwartung läuft jedoch ins Leere: Der Text ist ohne Sinn, die Simulation vage und die Logos verweisen nicht auf Baufirmen, sondern Förderer der SimultanProjekte 2020“ (Kriz Olbricht). Koch & James beziehen sich in dieser Arbeit nicht ausschließlich auf die visuelle Sprache Architekturrenderings und Projektmarketing, sondern auch auf die konkrete Situation der Simultanhalle als Kulturinstitution. Denn seit 2018 ist der Ausstellungsraum selbst aufgrund von baulichen Mängeln geschlossen. Da das Gebäude dem Verein Förderverein Simultanhalle Köln-Volkhoven e.V. von der Stadt zur Verfügung gestellt wurde ist der Verein von den Entscheidungen der Politik abhängig. Eine Sanierung wurde von der Stadtverwaltung nicht in Erwägung gezogen. Stattdessen fasste im Frühjahr 2020 der Kulturausschuss der Stadt Köln auf Antrag des Kulturamtes den Beschluss, das Ateliergelände am Volkhovener Weg 209-211 im Wege des Erbbaurechts zur Bebauung von Ateliers und zur Entwicklung des Geländes an eine*n Investor*in vergeben zu wollen. Dabei wurde, trotz mehrfacher Anmerkungen des Fördervereins an die Ratsfraktionen, nicht der Erhalt und die Sanierung der Simultanhalle sowie die zukünftige Nutzung durch das Kuratorium festgehalten. Ohne ein solches klares Bekenntnis droht nun der Verlust der Simultanhalle und zugleich der Wegfall einer Kulturinitiative im Kölner Norden. Deshalb wurde eine Petition gestartet, um auf diesen Missstand hinzuweisen und das Kuratorium und seine Verhandlungsposition gegenüber den Entscheidungsträgern in der Politik zu stärken. Die Petition ist hier zu finden.

Leon Jankowiak