
"Groupshow", Emily Dietrich, Béla Feldberg, Esra von Kornatzki, Katharina Keller
Closest Distance

Katharina Keller: siberian brutalism (detail), 2018, concrete and steel, variable dimensions, © etta.
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Béla Feldberg: untitled (air conditioner), plaster, found objects, building board, cable channel, roof batten, 53 x 53 x 210 cm, © Johannes Bendzulla.

Installation view, pictured here: Emily Dietrich, Esra von Kornatzki, Béla Feldberg, © etta.

Béla Feldberg: untitled (detail), aceton print, foamboard, plaster, frame, 105 x 200 cm, © etta.

Esra von Kornatzki: Stallin' (detail), 2022, steel, popcorn, 195 x 211 x 3.5 cm, © etta.

Installation view, pictured here: Emily Dietrich, Esra von Kornatzki, © etta.

Emily Dietrich: untitled (detail), 2022, wallpaperroll, 54 x 11 x 11 cm (single) and 54 à 62 x 11 cm (double), © etta.

Installation view, pictured here: Emily Dietrich, Katharina Keller, Béla Feldberg, © etta.

Emily Dietrich: hotelschwan, 2022, pencil, print on paper, 21 à 29.7 cm and römerbesteigung, 2022, oil on aluminium, screw, 21 x 29.7 cm, © etta.

Installation view, © etta.

Béla Feldberg, Notes (detail), book, softcover, 80 pages, 21 à 29.7 cm, © etta.

Installation view, pictured here: Béla Feldberg untitled (air conditioner), © etta.
RĂ€umliche Strukturen bestimmen unsere tĂ€glichen Bewegungen. Innerhalb ihrer entfalten sich individuelle und kollektive ChoreograïŹen. Erscheint der uns umgebende Raum dabei zunĂ€chst als objektive Instanz, als gemeinsamer Referenzrahmen, spiegeln sich in ihm doch gesellschaftliche Ordnungen, politische Systeme und damit einhergehende individuelle DiïŹerenzen. So manifestiert sich in der Architektur von GebĂ€uden unmittelbar der ökonomische Status ihrer Bewohner*innen. Ort, GröĂe und bauliche Charakteristika sind Distinktionsmerkmale und damit Ausdruck divergierender LebensrealitĂ€ten. Gleichsam werden bestehende AusschlĂŒsse und Diskriminierungen durch rĂ€umliche Strukturen und ihnen inhĂ€rente, teils gewaltvolle Grenzziehungen konserviert und stetig reproduziert. Mauern und ZĂ€une kreieren ein kĂŒnstliches Innen und AuĂen, Schutz und Ausgrenzung, eine Gesellschaft, die sich zunehmend in âSingularitĂ€ten" entwirft, wie der Soziologe Andreas Reckwitz 2017 konstatierte (Reckwitz 2019). Immer schneller und höher wachsende HĂ€user entwerfen das Bild einer dystopischen, den Gesetzen des Kapitalismus ergebenen Stadt, die sich in ihrer Form immer mehr von den in ihr lebenden Menschen zu entfernen, sie zu ânegierenâ scheint (Lefebvre 1971, 78). Urbane RĂ€ume sind so stets beides: Resultat und Ursprung sozialer GefĂŒge.
Die konstruierten Landschaften, die uns umgeben, zeugen von vergangenen, spiegeln gegenwĂ€rtige und lassen in ihrer permanenten Transformation zukĂŒnftige gesellschaftliche RealitĂ€ten erahnen. In ihnen verschmelzen organische und kĂŒnstliche Formen, sie sind immerwĂ€hrendes Archiv menschlicher und nichtmenschlicher Akteur*innen, ArchĂ€ologie der Gegenwart. StĂ€dte, HĂ€user, StraĂen, Zimmer bilden TopograïŹen menschlicher Kommemoration und Imagination. Warum fĂŒhlen wir uns dennoch zunehmend entfremdet von ihnen? Gestalten wir den Raum oder der Raum uns? Wie unterscheidet sich unsere individuelle Wahrnehmung urbaner RĂ€ume, wo verschwimmt sie mit den eigenen Assoziationen, Erinnerungen und SehnsĂŒchten? Welche RĂ€ume waren fĂŒr uns wichtig und sind nun verschwunden?
Die Ausstellung Closest Distance vereint vier kĂŒnstlerische Positionen, die diese Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven reïŹektieren. Die beschriebenen rĂ€umlichen Grenzziehungen, die Entfremdung von zunehmend funktionalistischen, sterilen Stadtlandschaften, werden durch die kĂŒnstlerischen Positionen reïŹektiert und auf den Ausstellungskontext selbst ĂŒbertragen. Aber auch Bruchstellen, Zwischen- und FreirĂ€ume rĂŒcken in den Fokus: Inwieweit bietet gerade der Verfall, die Zerstörung das Potential der Transformation bestehender Strukturen und eines Neuanfangs? âDiïŹerences endure or arise on the margins of the homogenized realm, either in the form of resistance or in the form of externalities (âŠ)â, schrieb Henri Lefebvre 1974 in "La production de lâespace" (Lefebvre 2016, 373). StĂŒckweise lösen sich so die Grenzziehungen zwischen Innen und AuĂen, RealitĂ€t und Fiktion, Erinnerung und Zukunftsvision, der Suche nach Zugehörigkeit und Neuorientierung auf.
Lefebvre, Henri (1971): Der dialektische Materialismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Lefebvre, Henri (2016): The Production of Space. London: Blackwell.
Reckwitz, Andreas (2019): Die Gesellschaft der SingularitÀten. Berlin: Suhrkamp.
Anna Marckwald