
Hannes Heinrich
EVEN DEMONS HAVE DEMONS
Project Info
- đ LOHAUS SOMINSKY
- đ€ Hannes Heinrich
- đ Victor Sattler & Hannes Heinrich
- đ Dirk Tacke
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o.T. (alienation), 2023, oil, ink and coal on canvas, 195 x 170 cm
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o.T. (throwback), 2023, coal on canvas, 240 x 190 cm

Exhibition View: EVEN DEMONS HAVE DEMONS

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Exhibition View: EVEN DEMONS HAVE DEMONS

o.T. (shattered), 2024, acryl, ink and coal on canvas, 210 x 160 cm

o.T. (hold on), 2024 oil on canvasâš, 15 x 10 cm

o.T. (shapes shifting), 2023, oil on canvas, 220 x 150 cm

Exhibition View: EVEN DEMONS HAVE DEMONS

o.T. (dust and stone), 2023 oil on canvasâš 195 x 170 cm & o.T. (stone and dust), 2023 oil on canvasâš195 x 170 cm

o.T. (follow my voice), 2023 oil on canvasâš50 x 40 cm

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o.T. (mirror), 2023 oil on canvas 195 x 170 cm

Exhibition View: EVEN DEMONS HAVE DEMONS

o.T. (broom broom brush), 2023 ink and coal on canvas

o.T. (double), 2023âšink and coal on canvas 45 x 35 cm

o.T. (double), 2023âšink and coal on canvas 45 x 35 cm

o.T. (clock), 2023âšink and coal on canvas 50 x 40 cm

o.T. (late afternoon), 2023 oil on canvasâš 195 x 170 cm

o.T. (even demons have demons), 2024 oil on canvas
GesprÀch zwischen Victor Sattler und Hannes Heinrich
VS: Lieber Hannes Heinrich, Deine neue Ausstellung hat den Titel Even Demons Have Demons. Auf Deutsch: Sogar DĂ€monen haben DĂ€monen. Eigentlich sind Deine Bilder gar nicht so dĂŒster, wie das klingt, oder?
HH: Nein, sind sie nicht, der Titel ist ein abgewandeltes Zitat aus einem Lied, das ich mag. Mir gefĂ€llt, wie diese Formulierung es schafft, ein Sprachbild nochmals zu toppen. Durch eine relativ einfache Verdopplung wird etwas Bekanntes zu etwas Anderem. Bei dem Zitat sehe ich die Welt plötzlich als Comic vor mir, ich sehe den DĂ€mon selbst beim Therapeuten sitzen. Nicht unheimlich oder dĂŒster wird es, sondern ironisch. AuĂerdem spielt es mit dem Klischee einer KĂŒnstlerfigur, die wie ein Besessener arbeitet. Meine Kohlezeichnungen sehen auf den ersten Blick nach einer einzelnen starken Geste aus, sie sehen nach Exzess aus. Doch in Wahrheit entstehen sie in einem Prozess, in dem ich sie stĂ€ndig neu betrachte, behutsam auf sie reagiere und dabei stĂ€ndig neue Entscheidungen treffe. Sie sind letztlich auch Skizzen, wie ein Kritzeln.
VS: Das hat viel mit Deiner Frottage-Technik zu tun. Mit dem Stoff der Leinwand umhĂŒllst Du AlltagsgegenstĂ€nde oder Deinen eigenen Körper, spannst die Leinwand erst danach auf den Rahmen, nimmst sie auch mal wieder ab â alles in einem kontinuierlichen Prozess. Wie ist diese Technik entstanden? Wie zentral ist sie fĂŒr Dein Schaffen?
HH: Ich mache das tatsĂ€chlich schon lĂ€nger, als man es meinen Arbeiten ansehen kann, bestimmt seit fĂŒnf oder sechs Jahren. Im Grunde kennen alle das Prinzip. Legt man ein StĂŒck Papier auf eine MĂŒnze und rubbelt mit einem Bleistift darĂŒber, drĂŒckt sich die MĂŒnze durch. Ich mache dasselbe mit dem Stoff der Leinwand und mit Kohle. Und ich versuche eben nicht, die Information möglichst genau zu ĂŒbertragen, sondern im Gegenteil etwas Anderes aus ihr entstehen zu lassen, wenn der dreidimensionale Körper zur FlĂ€che wird. Damit gelingt es mir, mich selber auszuhebeln, kurz das Denken abzuschalten, weil mein Körper in Aktion treten muss. Wenn ich selbst unter dem Stoff stecke, ist meine Sicht teilweise eingeschrĂ€nkt. Ich schaffe mir also Probleme. Gleichzeitig finde ich es interessant, mit dem Stoff zu arbeiten, bevor er gespannt wird. Da hat er noch FĂ€higkeiten, die er nach dem Aufspannen und Grundieren verliert.
VS: Zum Beispiel?
HH: Zum Beispiel, wie gut er sich um einen Körper legt. Aber auch, wie sich Farbe und Pigment in den Stoff eindrĂŒcken lassen. Der Widerstand ist ein ganz anderer. Dadurch entstehen BrĂŒche, es erlaubt mir, eine Geste aufzubrechen. TatsĂ€chlich habe ich das vor allem mit groĂen Formaten gemacht, weil man sehr viel Stoff benötigt, um einen verhĂ€ltnismĂ€Ăig kleinen Gegenstand zu umwickeln.
VS: Gibt es deshalb in Deinen Ausstellungen oftmals ein groĂes Format und ein ganz kleines Format nebeneinander?
HH: Mittlere Formate sind fĂŒr mich die gröĂte Challenge. Deswegen habe ich meine mittleren Formate oft aussortiert. Gleichzeitig steckt dahinter auch ein ĂberprĂŒfen: Funktioniert etwas im GroĂen, nehme ich die GröĂe als Faktor aus der Gleichung heraus und schaue, was damit im Kleinen, BeilĂ€ufigen, Konzentrierten passiert. Und umgekehrt genauso. Etwas Kleines ins GroĂe zu ĂŒbertragen, konfrontiert mich mit praktischen und inhaltlichen Herausforderungen. Kleine Frottage-Bilder gut hinzubekommen, hat eine ganze Weile gedauert. Anfangs umwickelte ich nur GegenstĂ€nde, die in meinem Atelier verfĂŒgbar waren. Das war mir wichtig, um etwas AlltĂ€gliches mit einzuweben, um mit RadikalitĂ€t zu brechen. Wann immer man ĂŒber die groĂen Fragen des Lebens nachdenkt â wer bin ich, was mache ich? â, wird man ja permanent unterbrochen von kleineren Fragen, man kriegt Hunger oder geht einen Kaffee trinken. Diese Gleichzeitigkeit bringen die AlltagsgegenstĂ€nde mit ins Bild.
VS: Da wĂ€re etwa der BĂŒrostuhl auf Deinem namenlosen Bild von 2021. Der banale Gegenstand bekommt durch die Farben Rot und Blau eine dramatische Anmutung, er ist kaum mehr als Stuhl zu erkennen. Welche Bedeutung hat fĂŒr Dich diese Ălfarbe, die im zweiten Schritt hinzu
kommt?
HH: âIm zweiten Schrittâ, das wĂŒrde ich infrage stellen. Der Prozess soll nicht abgeschlossen sein, nur, weil die Leinwand bereits aufgespannt und die Kohle fixiert ist. Obwohl die Zeichnung nicht mehr auf die Ălfarbe âreagierenâ kann, sollen die beiden unbedingt ineinandergreifen, es darf kein klares Ăbereinander geben. Der Pinsel und die Ălfarbe nehmen Dinge weg, arbeiten die Form heraus, tasten sie ab, gehen ĂŒber die Linien der oft klar gesetzten FlĂ€chen. Mir geht es darum, einen abstrakten Moment durch eine FigĂŒrlichkeit hindurch zu finden. Ich glaube, der Maler Philip Guston hat so etwas gesagt wie: Every painting is figurative. Damit spiele ich. Unser Auge erkennt in einer abstrakten Geste trotzdem immer etwas, seien es Augen oder Gesichter, sei es etwas Wildes oder ZurĂŒckhaltendes. VS: UnabhĂ€ngig von figurativ und abstrakt â spĂ€testens das Raster in Deinen Bildern fĂŒhrt uns vom Gegenstand weg.
HH: Ja, aber wenn ich ein Raster setze, ist es fast nie die oberste Schicht, sondern liegt immer unten drunter. Es ist oft schon mit Tusche in den rohen Leinwandstoff eingesunken. Das ist die umstĂ€ndlichste Art, ein Raster in das Bild zu bekommen. Es verĂ€ndert die Zeitlichkeit, weil ich die abgegrenzten FlĂ€chen dann einzeln bearbeite, und weil jede FlĂ€che auf demokratische Weise dieselbe Zuwendung von mir erhĂ€lt. Die Linien, die man bei mir oft sieht, sind eigentlich Schnitte im Bild, die die darunterliegenden Schichten offenbaren. Ich habe neulich nochmals nachgelesen in einem Essay der Kunstkritikerin Rosalind Krauss ĂŒber das Raster, und sie kritisierte es als einen Endpunkt: Wer das Raster einmal fĂŒr sich entdecke, komme nicht mehr davon weg. Als ich das zum ersten Mal las, verstand ich es als Kompliment an das Raster, noch nicht als Kritik.
VS: UnabhĂ€ngig von figurativ und abstrakt â spĂ€testens das Raster in Deinen Bildern fĂŒhrt uns vom Gegenstand weg.
HH: Ja, aber wenn ich ein Raster setze, ist es fast nie die oberste Schicht, sondern liegt immer unten drunter. Es ist oft schon mit Tusche in den rohen Leinwandstoff eingesunken. Das ist die umstĂ€ndlichste Art, ein Raster in das Bild zu bekommen. Es verĂ€ndert die Zeitlichkeit, weil ich die abgegrenzten FlĂ€chen dann einzeln bearbeite, und weil jede FlĂ€che auf demokratische Weise dieselbe Zuwendung von mir erhĂ€lt. Die Linien, die man bei mir oft sieht, sind eigentlich Schnitte im Bild, die die darunterliegenden Schichten offenbaren. Ich habe neulich nochmals nachgelesen in einem Essay der Kunstkritikerin Rosalind Krauss ĂŒber das Raster, und sie kritisierte es als einen Endpunkt: Wer das Raster einmal fĂŒr sich entdecke, komme nicht mehr davon weg. Als ich das zum ersten Mal las, verstand ich es als Kompliment an das Raster, noch nicht als Kritik.
VS: Und heute?
HH: Seit der konstruktivistischen Avantgarde ist wieder Zeit vergangen. Ich habe das GefĂŒhl, dass es heute gar nichts Referenzloses mehr geben kann, oder dass das Streben danach in der Malerei zum Scheitern verurteilt und uninteressant ist. Meine Raster sind tatsĂ€chlich alle sehr unterschiedlich. Manchmal sind sie mit dem Lineal gezogen, die FlĂ€chen dann alle gleich groĂ. Manchmal handelt es sich eher um ein gestisches Raster, eine rhythmische Abfolge mit der Hand. Durch das Aufspannen der Leinwand verschiebt es sich, es kommt ein leichter Schwung in die Linien. In meinen letzten paar Arbeiten hatte das Raster nun etwas von Ordnung, Akribie und AufrĂ€umen.
VS: Gleichzeitig ist diese Kunst sehr sinnlich. Wegen der Frottage-Technik, aber auch wegen der Motive. Wir haben bisher nur ĂŒber den BĂŒrostuhl geredet. Andererseits gibt es ja das wiederkehrende Motiv einer mĂ€nnlichen Brust, oder es gibt die Pobacken in einem Bild namens âPfirsichâ.
HH: Nach dieser Körperlichkeit und Sinnlichkeit wurde ich tatsĂ€chlich noch nie gefragt. Darin steckt natĂŒrlich auch ein Spiel mit den Betrachtern, ein doppelter Boden. Eigentlich war das Körperliche anfangs eine Art von RĂŒckversicherung, um im Atelier in die GĂ€nge zu kommen, um eine Form von Action zu initiieren. FĂŒr diese Art von Versuch kommt nur mein eigener Körper in Frage, er ist da, wenn ich ihn brauche, und zu ihm habe ich die lĂ€ngste Beziehung und gleichzeitig das komplizierteste VerhĂ€ltnis. Deswegen ist es immer mein Körper in den Bildern, beziehungsweise, es sind immer die GegenstĂ€nde, die mich umgeben und die man normalerweise ĂŒbersieht. Als ich einen Stuhl in die Leinwand einwickelte, nutzte ich meinen Körper ja bereits. Dann war es fĂŒr mich ein konsequenter Schritt, dem weiter zu folgen und mich selbst einzuwickeln. Irgendwie hat es sich auch albern und absurd angefĂŒhlt, aber man geht dem trotzdem nach.
VS: In den berĂŒhmten Performances von Yves Klein hinterlieĂen junge weibliche Aktmodelle den Farbabdruck ihres Oberkörpers auf einer Leinwand.
HH: Mir hingegen geht es nur um das Bild. Alles andere ist der Weg dorthin, dafĂŒr benutze ich diesen leicht performativen Vorgang. Sich einen Raum zu nehmen, sich ins Atelier zu stellen und zu malen â auch das hat sich anfangs fĂŒr mich wie ein performativer Akt angefĂŒhlt. Man sieht sich selbst plötzlich von auĂen, man wird sehr verkopft, dabei denke ich eher an Bruce Nauman als an Yves Klein. Das Körperliche war eine Möglichkeit, mich selbst zu ĂŒberrumpeln. Plötzlich hat man wieder ein richtiges Chaos vor sich und muss damit umgehen.
VS: Das ist bei Dir wie ein roter Faden: Du findest immer neue Tricks, um den Kopf abzuschalten.
HH: Ja, ich merke immer wieder, dass meine eigenen Gedanken allein gar nicht so bahnbrechend sind. Trotzdem wĂŒrde ich den Kopf niemals weglassen. Man sucht sich letztlich einen Grund, um den Kopf wieder von Neuem einzusetzen.
VS: Es heiĂt, in der Kunst treffen das Apollinische und das Dionysische zusammen. Ein strenges Raster zu verwenden, ist ein maximaler Apollo-Move. Dazu muss man irgendwie noch das Rauschhafte eines Dionysos einfangen, oder?
HH: Ja, beides ist nicht immer gleich wichtig, aber es findet doch immer beides statt. Ich habe gemerkt, dass nur das Eine stets eine VerkĂŒrzung ist, eine Vereinfachung, die mich zu einem Teil selbst abschafft. Die Zweiteilung des Menschen macht es fĂŒr mich immer wieder von Neuem wichtig, selber die Entscheidungen zu treffen. DafĂŒr ist mein eigener Körper natĂŒrlich ein praktisches Vehikel. Meine Beziehung zu ihm wird definiert ĂŒber die Welt, in der wir leben: darĂŒber, wie wir lernen, uns selbst zu sehen und mit uns umzugehen.
VS: Ich bin ein bisschen ĂŒberrascht ĂŒber diesen Pragmatismus. Du sagst, Dein eigener Körper war nunmal gerade da und sei nur ein Vehikel. Dabei hast Du doch eine recht markante Silhouette. Auf den Papierarbeiten hĂ€lt die Silhouette ein Smartphone in der Hand, wie zum Selfie. Ist das nicht eine sehr gegenwĂ€rtige Faszination fĂŒr das eigene Aussehen, fĂŒr den
eigenen Körper?
HH: Doch, auf alle FĂ€lle. Aber ich glaube, das lĂ€sst sich auch gut auf andere Menschen ĂŒbertragen. Oft sind Entwicklungen unserer Zeit in der Kunst nur auf die Spitze getrieben. Ich beschĂ€ftige mich natĂŒrlich damit, was unsere Gegenwart ausmacht, und wie man in der Kunst und speziell in der Malerei darauf reagieren kann. Andererseits: Wenn ich gröĂere Formate grundiere, liegen die LeinwĂ€nde nunmal auf dem Boden vor mir ausgebreitet. So hat man ein sehr gutes Licht von oben. Dann verfĂ€ngt sich dabei automatisch mein eigener Schatten auf der weiĂen Leinwand, er bekommt ganz klare Konturen. Schon entsteht ein Bild. Da bin ich also mal wieder den direktesten Weg gegangen. Wenn man mich persönlich kennt, bin das ganz eindeutig ich, und ich finde, dann liest man sogar einen emotionalen Ausdruck in jedes Bild hinein. Kennt man mich nicht, könnte diese Silhouette aber genauso gut eine allgemein gĂŒltige ProjektionsflĂ€che sein. Ich mag die QualitĂ€t einer prĂ€zisen Information, mit der ich mir dennoch gröĂte malerische Freiheiten nehme.
Victor Sattler & Hannes Heinrich