Berit Schneidereit
Berit Schneidereit – THE INTERSTICES OF THIS PLACE
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Mit THE INTERSTICES OF THIS PLACE zeigt die G2 Kunsthalle eine Einzelausstellung der in Düsseldorf arbeitenden und lebenden Künstlerin Berit Schneidereit (*1988).
Schneidereit’s künstlerisches Werk bewegt sich in den Spektren der Fotografie. Sie nutzt unterschiedliche Strategien, um den Begriff der Fotografie zu hinterfragen und eigenständige, neue Wege zu beschreiten. Dabei steht ein forschendes und erkundendes Vorgehen mit einem Fokus auf einer sinnlichen, körperlichen Erfahrung fotografischer Bildräume im Vordergrund ihrer Praxis.
Schneidereit formuliert in vielen ihrer Werke subtil Fragen nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Bei näherer Betrachtung weisen die Arbeiten hier und da Spuren menschlichen Schaffens auf, deren industrielle Machart im Kontrast zu den organisch wachsenden Pflanzen und Bäumen stehen. Diese Fragmente urbaner Parks und Gärten eröffnen Assoziationen zu den Versuchen des Menschen die Natur zu zähmen und einzugrenzen. Die architektonischen Hindernisse wirken jedoch überwindbar. Sie scheinen von der umgebenden Natur umschlossen und in ihr Habitat mit einbezogen worden zu sein.
Für ihre experimentellen Belichtungen nutzt sie photosensitives Papier, das durch die Reaktion mit Licht verschiedenste Schattierungen entstehen lässt. Es dient somit als Seismograph direkter, äußerer Umstände. Hierfür ist die Technik des Fotogramms, bei der sich im direkten Kontakt mit dem Papier Licht-Abdrücke abzeichnen, ein wesentlicher Aspekt für eine Vielzahl ihrer Arbeiten. Die beispielsweise so entstandenen Raster durchziehen die Gesamtheit der Fläche, strukturieren das Gezeigte in eine Vielzahl von Ebenen und wie digitale Pixel anmutende Details. In anderen Arbeiten lässt sie über malerische Gesten die Idee eines Vorhangs entstehen. Somit lassen sich die Arbeiten auch auf einen dramaturgischen Moment beziehen: Sie Zeigen bei gleichzeitigem Verbergen. Die Bilder Schneidereits weisen keinen eindeutigen, endgültigen Zustand auf. Sie sind fluide und fragil: Je mehr man sich dem Bild nähert, desto instabiler wird die Figuration. Das Werk abstrahiert sich selbst und zerfällt in seine Einzelteile. Dem Betrachtenden ist es möglich in das Bild einzutauchen und die scheinbare Eindeutigkeit, die aus der Betrachtung aus der Distanz entsteht, zu hinterfragen und aktiv einstürzen zu lassen. Somit polarisiert Schneidereits Bild als volatiles Konstrukt zwischen Figuration und Abstraktion.
Über die Ausstellungsräume verteilt ist die Arbeit „placement I, 2022 und 2024“ zu sehen. Die Künstlerin vollzieht hier den Schritt in den Raum. Großformatige Belichtungen an mobilen Gestellen lassen uns über zeitliche und räumliche Sprünge durch eine organische Welt in Grauschattierungen schreiten. Sie potenziert die vorhandenen Räumlichkeiten und deutet gleichzeitig Neues an: Wie eine Vielzahl avonPortalen lädt diese Installation zu einem Eintauchen in eine organische Welt innerhalb des Ausstellungsraums ein. Der Titel „placement“, also Platzierung, bezieht sich hier sowohl auf den Raum im Raum als auch die technischen Aspekte der Entstehung.
Der Prozess der analogen Entwicklung wird hier auf verschiedenen Wegen an seine Grenzen gebracht: Die Grenzen des Negativs, Format und Eigenheiten des lichtsensitiven Papiers und letztendlich auch die Möglichkeiten der händischen Entwicklung in der Dunkelkammer des Ateliers schreiben sich in die Belichtungen ein. Die Möglichkeiten der Fotografie werden so über die künstlerische Verarbeitung und Offenlegung des Bildwerdungsprozesses erforscht.
In der Serie „shades“, die in der hiesigen Ausstellung zu sehen ist, dringt Farbe in die Bilder. Hier zeigt Schneidereit Fotografien von Sichtschutzelementen, auf denen sich Schatten der umliegenden Vegetation abbilden und die dahinterliegende Welt durch die Maschen des Materials schimmert. Ist das Gitter in anderen Arbeiten Grundbestandteil des Werkes, so nutzt Schneidereit hier ein funktionales Produkt, das die typische Rasterstruktur imitiert.
Hier fungiert der Sichtschutz wie ein Kamerasensor, der als Projektionsfläche dient und so eine weitere Facette der Umgebung abbildet.
Die Maschen, an denen der Sichtschutz befestigt ist, verzerren die scheinbar plane Oberfläche und krümmen diese, so dass es innerhalb des Bildes zu einer Verzerrung kommt.
Eine simultane Bewegung durch Figuration und Abstraktion lässt Welten entstehen ohne klare Antworten zu geben. Über ein stetiges Hinterfragen des Wesens der Fotografie steht unser Bezug zur Wirklichkeit auf dem Prüfstand. Die Betrachtenden sind somit in den Prozess der Entschlüsselung einbezogen: Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Imagination immer wieder neu auszuloten.
Text Leo Wedepohl